Der Waldrapp ist in der Fauna Europas unverwechselbar: Das schwarz schillernde Gefieder, der kahle Kopf mit dem Federschopf und der rote, sichelförmige Schnabel sind einzigartig in unseren Breiten. Kein Wunder: Der bis zu 75 Zentimeter große Schreitvogel gehört zur Unterfamilie der Ibisse, woher auch seine veralteten Namen Mähnen- oder Schopfibis stammen. An der Färbung des Kopfes können übrigens sogar Laien die einzelnen Individuen unterscheiden. Auch seine Stimme unterscheidet sich stark von Tier zu Tier. Habt ihr einmal ein Tier erkannt, bleibt es euch unter Umständen lange erhalten: Der Waldrapp wird bis zu 20 Jahre alt.
Aus Aufzeichnungen wissen wir, dass der Waldrapp früher von Mitteleuropa bis nach Äthiopien weit verbreitet war. Heute hingegen leben nur noch 2000 Tiere in Zoos, in freier Wildbahn nur noch spärliche 450, sodass er zu den weltweit am stärksten vom Aussterben bedrohten Tieren gezählt wird.
Doch wie kam es zu dem starken Bestandsrückgang? Schuld ist – wie so oft – der Mensch. Alles weist darauf hin, dass der europäische Waldrapp im Mittelalter gegessen und daher zu stark gejagt wurde. Wie bei anderen großen Pflanzenfressern auch hat beim Waldrapp außerdem das Verschwinden offener Naturlandschaften zu seinem Verschwinden beigetragen. Schon im 17. Jh. dann war er in Mitteleuropa komplett ausgerottet.
Gibt es also heute keine Waldrapp-Beobachtung außerhalb von Zoos? Nicht ganz. Im Januar 2014 tauchte der junge Waldrapp „Elmar“ im Donautal westlich von Ulm auf. Der Vogel stammt aus dem
Waldrapp-Schutzprojekt im bayerischen Burghausen. Dort werden schon seit über 12 Jahren Waldrappe gezüchtet und auf das Leben in freier Waildbahn vorbereitet. Weitere Schutzprojekte mit Auswilderungen finden in Österreich und in Italien statt. Das Problem der Auswilderung: Waldrappe sind Zugvögel, die ihre Route von ihren Eltern lernen. Werden Sie vom Menschen aufgezogen, so funktioniert das logischerweise nicht. Die Lösung, die man in den Schutzprojekten dafür fand, ist originell: Mit Leichtflugzeugen wurde den Vögeln der Weg in die Überwinterungsgebiete, zum Beispiel in die Toskana, gezeigt. In den Folgejahren finden sie den Weg dann schon von allein.
Leider werden die wenigen verbleibenden Waldrappe immer noch kriminell gejagt, andere finden den Tod durch Stromschläge oder Pestizide – ein Schicksal, dem auch Elmar zum Opfer gefallen sein könnte, denn seit Mai 2014 wurde er nicht mehr gesichtet. Um Elmar und seine Artgenossen zu schützen, müssen wir dafür sorgen, dass den ausgewilderten Waldrappe weiterhin schonend genutzte Flächen wie wilde Weidelandschaften oder Magerwiesen zur Verfügung stehen. Nur so kann der Waldrapp seinen ursprünglichen Lebensraum wieder in Besitz nehmen.
Weltweit gibt es nach Angaben der Weltnaturschutzunion IUCN nur noch 200-249 ursprünglich wilde adulte Waldrappe (Stand 1. Mai 2020). Die Zoopopulation dagegen umfasst rund 1750 Vögel. Seit 1988 existiert für Waldrappe ein EAZA Ex-situ Programme (EEP) des Europäischen Zooverbandes (EAZA), welches vom Alpenzoo Innsbruck koordiniert wird und im Rahmen dessen die Zoopopulation wissenschaftlich betreut, verwaltet und koordiniert wird.
Aktuell gibt es in Europa zwei Wiederansiedelungsprojekte für Waldrappe. Eines im Alpenraum (Deutschland, Österreich und Italien), bei dem mit einem nicht unerheblichen Aufwand von Menschen aufgezogenen und geprägten Waldrappen mit Motorgleitschirmen der Weg über die Alpen in geeignete Überwinterungsgebiete in Italien beigebracht wird. Ein anderes Projekt existiert in Andalusien. Hier ist das Ziel die Etablierung einer nicht ziehenden Population, da aufgrund der klimatischen Verhältnisse in Südspanien ganzjährig ausreichend Nahrung für die Vögel zur Verfügung steht, die hier zu einem sehr großen Teil aus kleinen Gehäuseschnecken besteht.
Organisatoren: zoologische Einrichtungen und andere Organisationen