Jan Christian Pflugstedt • 25. November 2019

Algen - Energie der Zukunft!

Jeder kennt sie als lästige Meeresbewohner oder als viel gelobten Inhalt von Kosmetikprodukten. Dass Algen jedoch wahre Multitalente in der Energieerzeugung sind, dürfte vielen neu sein.

Mikroalgen sind besonders interessante Biomasse-Produzenten, da sie bis zu zehnmal schneller wachsen als Landpflanzen, keine landwirtschaftlichen Flächen benötigen und jede einzelne Zelle der Algen Photosynthese betreibt.

Algen sind bereits seit einiger Zeit in den Fokus von Wissenschaftlern gerückt, die alternative Energie-Erzeugungsmethoden erforschen. Die Firma MINT-Engineering hat auf dem Euref-Campus in Berlin Schöneberg Photo-Bioreaktoren installiert. Hier wird Biomasse aus Algen erzeugt. An der Fassade des Firmengebäudes hängen zwei grüne Glaskästen, durch deren Röhren Wasser mit Mikroalgen fließt. 
Eine Besonderheit von Anlagen mit Mikroalgen ist, dass sie klimaneutral arbeiten. Sie filtern das bei der konventionellen Stromerzeugung entstehende CO2, was einen großen Pluspunkt für den Klimaschutz darstellt.


Leben im grünen Algenhaus in Hamburg

Ein weiteres Projekt ist das Algenhaus BIQ auf der Elbinsel im Hamburger Stadtteil Wilhelmsburg, das weltweit erste Wohnhaus, das sich über eine Gebäudefassade aus Photobiokollektoren mit Energie versorgt. Es verfügt über 129 große Algenpaneele an der Außenfassade und wurde 2013 im Rahmen der Internationalen Bauaustellung IBA eröffnet. Die Idee stammt von der Firma Strategic Science Consult (SSC). In den durchsichtigen Kunststoffelementen, die an der Fassade des Gebäudes installiert sind, wird durch die hierfür besonders geeignete Mikroalge Chlorella Biomasse und Wärme produziert. In einer Biogasanalage wird die gewonnene Biomasse in Methangas umgewandelt.


Das entstandene Gas wird durch eine Brennstoffzelle zu Strom und Wärme umgewandelt. Das von den Algen nicht genutzte Sonnenlicht wird, ähnlich wie in einer solarthermischen Anlage, genutzt, um Wärme zu erzeugen. Diese kann entweder in das Fernwärmenetz eingespeist oder im Erdboden zwischengespeichert werden. Die Bewohner des Hauses können die in der Energiezentrale gespeicherte Wärme zum heizen und für warmes Wasser nutzen. BIQ verfügt über 200 qm Algenfassade. Bei der Umwandlung von Biomasse in Biogas kann ein Nettoenergiegewinn von ca. 4.500 kWh pro Jahr erzielt werden. Der Stromverbrauch einer vierköpfigen Familie beträgt im Jahr ca. 4.000 kWh. Die Algenfassade könnte so den gesamten Haushalt der Familie mit Biostrom versorgen.

Nach rund drei Jahren Laufzeit konnte im Algenhaus Hamburg ein positives Fazit gezogen werden. Die Stromversorgung des Gebäudes funktioniert gut. Die Erzeugung von Wärme hat die Erwartungen übertroffen und kommt fast an die bekannten, auf Dächern montierten, Solaranlagen heran. Diese wandeln die Sonneneinstrahlung zu 60 Prozent in Wärme um, die Algenanlage kommt auf rund 48 Prozent. Das Energiekonzept des Hauses ist aufgegangen. Die Ergebnisse des BIQs zeigen, dass die Technik durchaus praxistauglich ist. Wirtschaftlich wird sie aber vor allem, wenn die bei der Produktion von Biomasse entstehenden Nebenprodukte wie zum Beispiel Omega-3-Fettsäuren für Nahrungsmittel, Tiernahrung, Kosmetika oder Medikamente verkauft werden können.

Wahre Multitalente für die Zukunft der Energie

Algen sind also echte Allround-Talente. Sie bieten eine höhere Produktausbeute als herkömmliche Biomasse, bezogen auf die Fläche und Zeit. Und sie bedrohen, wenn sie in Reaktoren in der Stadt gezüchtet werden, keine landwirtschaftlichen Anbauflächen. Die Algen-Technologie steht allerdings noch im Anfangsstadium. Das Potential als Energie der Zukunft ist noch lange nicht ausgeschöpft und wird Wissenschaft und Industrie weiter intensiv beschäftigen. Sie kann, wenn die Gewinnung von Biomasse aus Algen weiter gefördert wird, einen wichtigen Beitrag zur Energiewende leisten.


Besagte Firmen haben bereits ein geringes Angebot an Algentürmen, Anbauten für Fassaden oder sogar Heizkörper für Wohnungen. Ein wichtiger Schritt in eine umweltfreundliche Zukunft!

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